Es gibt wenige Tage im Jahr, die die Aleviten – je nach Anlass – zu besonderer Freude oder aber auch zur Trauer bewegen. Die Freude für Aleviten beinhaltet nicht nur feiern, sondern auch gedenken, sich bedanken, in Erinnerung bringen, nicht vergessen und damit eine friedliche Zukunft schaffen.

11/12/13. Februar Hızır – Tage/Fasten:
Jedes Jahr wird die Woche von Ende Januar bis Anfang Februar als die Woche des Hizir gefeiert und anschließend 3 Tage gefastet. Nach dem alevitischen Glauben symbolisiert das Hizir-Fasten die Danksagung des bei Sintflut in der Arche-Noah flehenden Volkes. Nach ihrer Rettung fasteten die Menschen zu Ehren des Propheten Hizir.

21. März Geburtstag von Heiligen (Hz.) Ali:
Der 21. März eines jeden Jahres wird in der alevitischen Mythologie als der Geburtstag des Heiligen Ali gefeiert. Ali als Heiliger gehört zum Glaubensbekenntnis der Aleviten: „Es gibt keinen Gott außer Gott, Mohammed ist der Gesandte Gottes und Ali ist der Freund Gottes“. Aleviten glauben, dass Ali als Heiliger geboren wurde im Neujahr (Nevruz), am 21. März 598 n. Ch. in Mekka. In den alevitischen Gemeinden wird an diesem Abend ein gemütliches Beisammensein (muhabbet) organisiert und dabei wird das Leben von Heiligen Ali und seine Lehre vorgetragen, sowie seine Bedeutung in der Gegenwart herausgearbeitet.

Dieser Tag wird auch Nevruz oder Newroz (wörtl.: neuer Tag) genannt. An diesem Tag fängt der Frühling an und die Länge von Tag und Nacht sind gleich. Alis Geburt stellt also ebenso das Symbol für Gleichheit und Gerechtigkeit dar. Schiitischen Überlieferungen zu Folge steht der Nevruz unter anderem für die Errettung der Arche Noah, das Zerschlagen der Götzen durch Abraham, das Reinigen der Kaaba von Götzen durch Imam Ali, Eheschließung von Ali und Fatima und vieles mehr.

5. und 6. Mai Hıdırellezfest (Khizer-Elias) Frühlingsfest der Aleviten:
Zeitgleich mit Hizir wird auch der Prophet Ilya (Elias) genannt. Beiden Namen Hizir und Ilya begegnet man sowohl in der christlichen als auch im jüdischen Glauben. Der Sage nach treffen sich Hızır, der Schutzengel zu Land und Ilyas, der Schutzengel auf dem Meer in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai auf der Erde. In dieser Nacht werden Himmel und Erde eins und die Kraft der Schöpfung offenbart sich. Beide tranken den Trunk des ewigen Lebens (Abu-Kevser). Aus diesem Glauben heraus bitten viele Menschen an diesem Tag um Gesundheit und Genesung. Am 6. Mai werden verschiedene Teigwaren gebacken und mit den Nachbarn geteilt.

6. und 7. Juni 2020 Gedenkfest für Abdal Musa:Jährlich wird in der ersten Juniwoche im Dorf Tekke bei Elmali in der Provinz Antalya der so genannte „Abdal Musa Cem“ gehalten, der mittlerweile auch in  Alevitischen Gebetshäusern weltweit verrichtet wird. Abdal Musa war ein Schüler von Hacı Bektaş Veli und lebte im 13./14. Jahrhundert.

2. Juli Andacht an Sivas- Massaker (02.Juli 1993):
Im Juli 1993 wurde von der alevitischen Gruppierung „Pir Sultan Abdal-Vereinigung“ eine Konferenz in der Hauptstadt der Provinz Sivas veranstaltet. Nicht alle Teilnehmer waren Aleviten. Einer der nicht-alevitischen Teilnehmer war der türkische Autor Aziz Nesin, der vor allem durch seine klaren Stellungnahmen gegen religiösen Fanatismus bekannt geworden ist. Am Freitagnachmittag, dem 2. Juli, protestierte vor dem Konferenzort, einem Hotel, eine Menschenmenge gegen die Konferenz und die Anwesenheit von Nesin. Das Hotel geriet in Brand und 37 Menschen starben in den Flammen.  

31. Juli 2020 Opferfest (jedes Jahr elf Tage früher):
Das viertägige Opferfest erinnert an Ibrahim (Abraham) und an seine Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern. Der Höhepunkt des Festes ist das im Rahmen der Familie und Gemeinde gehaltene Festmahl, für das ein Hammel geschlachtet und gemeinsam – oft mit der Familie, den Weggefährten und Nachbarn – gegessen wird. Das Fest ist für Aleviten ein besonderer Anlass, auch an Arme und Bedürftige zu denken und ihnen Geschenke zu machen. In Deutschland wird dieses Fest in großen Sälen oder in den Räumen der Kulturgemeinden gemeinsam gefeiert. Bevor das verteilte Essen gemeinsam gegessen wird, fragt der Älteste oder der Dede der Gemeinde nach dem Einverständnis aller Beteiligten, ob sie miteinander versöhnt sind.

16. bis 18. August Feier zur Andacht von Hacı Bektaş Veli:
Vom 16. bis zum 18. August finden zu Ehren das Hacı Bektaş Velis in der nach ihm genannten Kleinstadt Hacıbektaş Festlichkeiten statt.

20. bis 31. AugustAnfang des 12-tägigen Moharrem-Fasten (jedes Jahr ca. elf Tage früher):
Muharrem ist der erste Monat des islamischen Kalenders. Das Moharrem-Fasten laut arabischem Kalender wird jährlich zehn Tage früher als im Vorjahr abgehalten. Da sich das Fasten nach dem arabischen Kalender orientiert, ist die Fastenzeit beweglich (Beginn: 20 Tage nach dem 1. Opferfesttag). Das Fasten im Trauermonat Muharrem wird zum Gedenken an die 12 Imame und das Pogrom von Kerbela gehalten. Das alevitische Fasten fordert für 12 Tage und Nächte vor allem mögliche Enthaltsamkeit von jeglicher Zurückhaltung von Flüssigkeit und Feiern.

Aleviten setzen das Muharrem- Fasten mit Kerbela, Fasten und Trauer gleich. Das Nachempfinden von Kerbela im Monat Muharrem ist für die Gläubigen einer der wichtigsten Grundpfeiler. Das Fasten ist keine absolute Pflicht, aber je nach körperlicher Verfassung und persönlichen Umständen beträgt es zwölf Tage. Nach dem Abendessen wird nichts mehr gegessen und getrunken bis nach Sonnenuntergang des folgenden Tages. Das Essen am Abend ist dann sehr einfach und nicht übermäßig, denn die Enthaltsamkeit ist immer der zentrale Punkt.

Es wird in keiner Form Fleisch verzehrt; man achtet sehr darauf, dass kein Blut fließt. Streitigkeiten werden vermieden, Gefühle anderer werden nicht verletzt, keinem Lebewesen wird Leid zugefügt, auch die Natur wird dementsprechend behandelt (nichts abbrechen, nichts schneiden). Man hält sich von jeglichem Vergnügen fern (keine Hochzeit, Verlobung, usw.). Man flucht nicht, hält sich von Tratsch fern, man lebt im Einvernehmen mit den Nachbarn und anderen Menschen.

Die alevitische Gemeinden schaffen während der Fastenzeit in den Gemeindezentren und Cem-Häusern die Möglichkeit, dass die Mitglieder gemeinsam fastenbrechen. Mindestens ein Geistlicher ist immer anwesend und beantwortet Fragen zum Thema. Das Gemeinschaftsgefühl wird dadurch verstärkt.

01. September 2020 Aşure (am 13. Tag des Muharrem- Monats):
Höhepunkt und Abschluss des Fastens ist der Asure-Tag, der mit symbolträchtigen Speisen und Traueroden begangen wird. Vor und während der Islamisierung symbolisierte der Asure-Tag die Rettung von Noah und den Gläubigen. Nach dem Kerbela-Massaker wurde es zum Andenken der Ermordung von Hüseyin und seinen Weggefährten umgewandelt.


10. Oktober Todestag vom Heiligen (Hz.) Hüseyin:
Der 10. Oktober 680 n. Chr. wird als Todestag vom Heiligen Hüseyin angenommen und er wird von vielen Aleviten neben Muharrem- Fasten auch an diesem Tag angedacht.


19. bis 26. Dezember Pogrom von Kahramanmaraş 1978:
Am Abend des 19.12.1978 lief in einem Kino der Film “Güneş Ne Zaman Doğacak” (“Wann ist Sonnenaufgang”- Nationalistischer Film). Während der Vorstellung wurde eine Granate gezündet. Aufgrund der geringen Sprengkraft des Knallkörpers niemand ernsthaft verletzt. Viele Faschisten sahen in Kommunisten und Aleviten die Urheber des Anschlags.

Am 20. Dezember wurde in einem alevitischen Café ein Bombenattentat verübt. Nach mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen und Unruhen wurden am 21. Dezember 1978 zwei Lehrer erschossen, die sich als “Linke Demokraten” bezeichneten. Während der Beisetzung am nächsten Tag kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen erneut zwei Menschen starben. Angeheizt wurden die Kämpfe dadurch, dass die Rechten das Gerücht verbreiteten, die Linken würden die Moschee stürmen. In der Nacht des 22. Dezember 1978 erreichten die Unruhen ihren Höhepunkt. Zunächst wurden in mehreren Vierteln, in denen viele Aleviten lebten, deren Häuser mit einem roten Zeichen markiert. Es sollte den Mördern, das massakrieren (u.a. Frauen, Kinder, Schwangere, Behinderte) erleichtern. Niemand wurde verschont. Es wurden Schüsse abgefeuert und in einigen Moscheen hielten Imame Reden ( „Wer einen Aleviten tötet, der vollbringt Gottes Werk und auf ihn wartet der Himmel.”) gegen die Aleviten. Trotz der Unruhen und Warnungen wurden keine Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Über 1000 Menschen gaben ihr Leben.